Professor Robert Jütte im Ruhestand
30 Jahre lang leitete Prof. Dr. phil. Dr. h.c. Robert Jütte das Institut für Geschichte der Medizin (IGM) der Robert Bosch Stiftung. Am 31. Mai 2020 verabschiedete er sich nach einem überaus produktiven und kreativen Arbeitsleben in den wohlverdienten Ruhestand.
Sein wissenschaftliches Interesse konzentrierte sich vor allem auf die Geschichte der Homöopathie und den Pluralismus in der Medizin. Forschungsprojekte unter seiner Leitung und Publikationen aus seiner Feder oder unter seiner Federführung markieren Meilensteine der Medizingeschichte und der wissenschaftlichen Einordnung der Homöopathie von ihren Ursprüngen bis zur Gegenwart.
Das IGM wurde unter seiner Leitung und dank der finanziellen Unterstützung der Robert Bosch Stiftung zum weltweit größten außeruniversitären Forschungsinstitut für Medizingeschichte und einer international anerkannten Institution.
Als Herausgeber der Krankenjournale Samuel Hahnemanns (Haug Verlag) und Autor einer Biographie über Samuel Hahnemann (2005, dtv) erreichten seine Schriften nicht nur Mediziner und Medizinhistoriker, Homöopathen und andere Therapeuten, sondern auch eine Vielzahl interessierter Laien.
Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass unter dem Dach der IGM die weltweit größte Spezialbibliothek zur Geschichte der Homöopathie (mit ca.12.000 Bänden) aufgebaut wurde und mit dem Homöopathie Archiv ein Juwel der Homöopathiegeschichte bewahrt und gepflegt wird, nämlich der Nachlass von Samuel Hahnemann, seiner zweiten Frau Mélanie geb. d’Hervilly sowie wichtiger Schüler und Nachfolger Hahnemanns (v.a. Clemens und Friedrich von Bönninghausen). So wurde die kostbare Sammlung 2019 noch um weitere wertvolle Objekte erweitert. Ein Besuch des Homöopathie Archivs der IGM in Stuttgart, lohnt sich, aus wissenschaftlichen wie aus ästhetischen Gründen.
Neben der Sozialgeschichte der Medizin und Geschichte der Homöopathie gehörten zu Prof. Dr. Jüttes Forschungsschwerpunkten weitere Themen wie die „Alltags- und Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit“ und „Jüdische Geschichte“, über die er ebenso in regelmäßigen Publikationen berichtete.
Als wäre das alles nicht genug für ein ausgefülltes Berufsleben, übernahm Prof. Dr. Jütte zusätzlich Funktionen in zahlreichen wissenschaftlichen Gesellschaften, Institutionen sowie Beratungsgremien, wo er sich als Sprecher des Dialogforums Pluralismus in der Medizin (2009-2014) und Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer (2001-2019) über viele Jahre als wichtiger Akteur für die Weiterentwicklung einer zukunftsorientierten integrativen Medizin einsetzte. Für seine Verdienste wurde Prof. Jütte mehrfach mit Auszeichnungen geehrt.
Eine ausführliche Werkbiographie von Prof. R. Jütte finden Sie hier.
Trotz dieser verdienstvollen Arbeit über Jahrzehnte und seiner beschriebenen Bedeutung steht das IGM vor dem Aus. Aus schwer nachvollziehbaren Gründen beschloss die Gesellschafterversammlung der Robert Bosch Stiftung im Dezember 2019, die Leiterstelle nicht wieder zu besetzen und das IGM lediglich als „lebendiges Archiv“ fortzuführen. Das Forschungsinstitut, das sich weltweit einen Ruf auf dem Gebiet der Sozialgeschichte der Medizin erworben hat, wird es also in dieser Form nicht mehr geben.
Immerhin stehen die Bibliothek und das Homöopathie Archiv des Instituts, seit einem Jahr von der Historikerin und Archivarin Dr. Marion Baschin geleitet, weiterhin der Forschung zur Verfügung und können von Interessierten nach wie vor besucht werden.
Herrn Prof. Dr. Jütte wünschen wir alles Gute für die Zeit, die hoffentlich nur formell „Ruhestand“ heißt, denn wir hoffen auf noch viele anregende Beiträge von ihm. Dem IGM wünschen wir die notwendige Unterstützung und Förderung, die es sich über die Jahre mehr als verdient hat.
Bildquellen:
- Robert_Juette: https://www.bosch-stiftung.de/de/news/robert-juette-brueckenbauer-der-medizingeschichte