„ … weil es eine Medizin der Zukunft ist!“

„ … weil es eine Medizin der Zukunft ist!“

Dr. med. Katharina Gaertner zur Frage, warum Jungmedizinerinnen und Jungmediziner sich mit Homöopathie befassen sollten.

Der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V. (www.bvmd.de) hat sich in einem kürzlich veröffentlichten Memorandum für die Abschaffung der Homöopathie als medizinischem Fachgebiet ausgesprochen. Eine Forderung, die nicht nur bei ärztlichen Homöopathinnen und Homöopathen auf teilweise heftigen Widerspruch gestoßen ist. – Wir haben aus diesem Anlass mit der Studierendenbeauftragten des DZVhÄ, Dr. med. Katharina Gärtner, gesprochen.

Was kann, was sollte für eine Medizinstudentin oder einen Medizinstudenten heutzutage der Grund sein, sich neben all dem Wissen, das sie oder er sich aneignen muss und den vielen Spezialthemen, die spätestens im klinischen Teil auf ihn zukommen, zusätzlich noch mit der Homöopathie zu befassen?

Aus meiner Sicht drei gewichtige Argumente: Zwei eher defensiv, eines offensiv. Zunächst geht es um nichts anderes, als um ein Verständnis der Methode. Homöopathie ist eine jahrhundertealte, weit verbreitete therapeutische Methode. Ein Arzt oder eine Ärztin sollte wissen, was ihr Ansatz ist; sollte verstanden haben wie sie funktioniert, und wo erfahrene ärztliche Homöopathen Möglichkeiten und Grenzen homöopathischer Therapien sehen.

Warum? Weil schon morgen eine Patientin oder ein Patient zu ihm oder ihr kommen kann, die ihn entweder mit einer Vorerfahrung homöopathischer Behandlung konfrontiert, oder sich eine homöopathische Therapie vorstellen könnte, vielleicht sogar wünscht.

…und der zweite, wie Sie es nennen: „eher defensive Grund?

Es gibt eine Reihe therapeutischer Situationen, wo die konventionelle Medizin an ihre Grenzen kommt, und PatientInnen keine nachhaltige Besserung ihres Zustands, oft nicht einmal eine Verbesserung ihrer Lebensqualität durch Linderung verschaffen kann. Man spricht von einem „Therapie-Notstand“: Aus Sicht der konventionellen Medizin ist die Patientin und der Patient austherapiert, ohne dass sich seine Krankheitssituation wesentlich verbessert hat. Eine Situation, die viele chronisch erkrankte Menschen kennen. Und gerade hier, bei dieser Gruppe der „austherapierten“ Patientinnen und Patienten mit chronifizierten Erkrankungen gibt es unzählige Beispiele, bei denen eine homöopathische Behandlung geholfen hat. Kann es für eine Ärzt:in eine größere Erfüllung geben, als, diesen Patienten Linderung zu ermöglichen?

Übrigens besteht der sogenannte Therapie-Notstand nicht nur bei austherapierten Patienten, sondern auch bei einer Reihe von akuten Erkrankungen, bei denen die konventionelle Pharmakotherapie nur symptomatische Linderung anbieten kann. Zum Beispiel belegen mehrere Studien eine gute Evidenz für die homöopathische Behandlung von oberen Atemwegsinfekten, Mittelohrentzündungen und kindlichen Durchfallerkrankungen. Die Symptomdauer wird dabei deutlich verkürzt.

Skeptiker der Homöopathie unterstellen für solche Fälle einen „Placebo-Effekt“

Zunächst: Was ist falsch daran, einem Patienten, dem die konventionelle Medizin nicht oder nicht zufriedenstellend helfen kann, einen Therapieversuch mit homöopathischen Mitteln anzubieten? Sollte es ihm Linderung oder gar nachhaltige Besserung verschaffen, zählt doch erst einmal das Ergebnis.

Und sollte als Ursache für die Besserung ein Placebo-Effekt nicht ausgeschlossen werden können: Entgegen dem weit verbreiteten Irrtum handelt es sich bei einem Placebo-Effekt ja durchaus um eine positive Wirkung auf das neuro-immunologische System im Körper des Menschen. Ein Placebo ist also nicht nichts; es wirkt nur in einer Weise, die noch unzureichend erforscht ist.

Sie sprachen noch von einem dritten, in diesem Fall „offensiven Grund“, warum ein junger Arzt, eine angehende Ärztin sich mit der Homöopathie auseinander setzen sollte…

Die zuvor genannten Gründe zielten lediglich auf die Vermittlung von Wissen und Verständnis. implizierten aber nicht zwangsläufig, dass die angehende Kollegin oder der angehende Kollege die Homöopathie selbst aktiv als Behandlungsmethode anbieten sollten.

Auch dafür gibt es gute Argumente. So zum Beispiel, dass der Homöopathie als sogenannter „regulativer Therapie“ eine immer größere Bedeutung zukommen dürfte: Die Medizin der Zukunft wird erheblich stärker als wir das heute bereits kennen, auf Methoden setzen, mit Hilfe derer die physiologischen Regelkreise, die sogenannten Feed-back-Mechanismen im Körper reguliert werden. Je besser wir diese erforschen und verstehen, je mehr wird die pharmakologische, rein symptomatisch orientierte Medizin an Bedeutung verlieren – allein schon wegen der vielen Nebenwirkungen, über die immer mehr Patient:innen immer besser Bescheid wissen, deshalb zunehmend kritischer werden und nach Alternativen suchen bzw. ihren Arzt oder ihre Ärztin fragen.

Skeptiker werfen homöopathischen Arzneimitteln vor, sie seien viel zu gering dosiert, als dass sie im Körper irgendeinen Prozess auslösen könnten.

Die Wirkungsweise der homöopathischen Arzneimittel basiert eben nicht auf dosisabhängigen Prozessen, wie sie die traditionelle Pharmakologie kennt, sondern auf Impulsen, die die physiologischen Regulationsmechanismen im Körper anregen. Wie genau der regulierende Impuls durch das Arzneimittel gesetzt wird, wissen wir leider noch nicht. Vermutlich ist es jedoch schlichtweg so, dass wir noch nicht über die entscheidenden Methoden zum Nachweis des Moments und der Lokalisation des Ursprungs dieses Impulses und damit der Arzneiwirkung verfügen. Auch dass die Wirkweise noch nicht erklärt werden kann, ist nichts Ungewöhnliches in der Medizin: Gleiches gilt für viele Funktionsketten, bei denen man zwar weiß, welche Moleküle, Enzyme und Mechanismen beteiligt sind, aber noch nichts über den Ursprung der Abläufe wissen und sagen kann.

Was wir indes wissen, ist, dass homöopathische Arzneimittel aufgrund ihrer geringen Dosierungen einerseits nur in sehr seltenen Fällen Nebenwirkungen verursachen, andererseits unbestreitbar eine Regulationswirkung auslösen – und sei es über den sogenannten positiven Placebo-Effekt. Das zeigen viele Fälle in der Praxis. Und das ergibt sich konsistent aus mehreren kontrollierten klinischen Studien.

Wer das als Arzt verstanden hat, verfügt mit der Homöopathie über eine enorme Erweiterung und Bereicherung seines Portfolios an Behandlungsmöglichkeiten, das er seinen Patienten anbieten kann. Eine geradezu ideale Voraussetzung, um den Bedürfnissen und Wünschen von immer mehr Patientinnen und Patienten entgegen zu kommen, von denen sich in Deutschland mehr als zwei Drittel die „Möglichkeit“ wünschen, auf eine homöopathische Behandlung „mindestens begleitend“ zurückgreifen zu können.

Das Gespräch mit Dr.med. Katharina Gaertner führte Armin Huttenlocher